Der neue Bundesinnenminister hat seine erste Bewährungsprobe mehr schlecht als recht absolviert. Hans-Peter Friedrich (CSU) sorgte nur kurz nach seinem Amtsantritt für heftigste Diskussionen und bitteren Protest der in Deutschland lebenden Muslime, nachdem er meinte, dass der Islam nicht zur deutschen Kulturgeschichte gehöre. Nicht nur aber auch aufgrund dessen blieb der Zentralrat der Muslime der Islamkonferenz 2011 fern. In dessen Reihen spricht man offen davon, dass sich der Minister gar nicht integrieren lassen will! Ganz im Zeichen der CSU-Legende Franz Josef Strauss prescht auch Friedrich gleich zu Beginn der Konferenz vor: "Dieses Land ist ein christlich-abendländisch geprägtes Land, daran besteht hoffentlich kein Zweifel!" Somit ist die Position wohl klar abgesteckt! Die Position des Ministers und damit auch jene der Regierung! Daneben fordert der Bayer auch noch, dass sich die Muslime zu einer Sicherheitspartnerschaft mit den Behörden bekennen, um dadurch den Terrorismus besser bekämpfen zu können! So soll es einen Präventionsgipfel geben, der dazu dient, religiös begründete Anschläge zu verhindern. Es sei sicherlich auch im Interesse der Muslime, wenn der Islam nicht missbraucht wird als Hintergrund blutiger Attentate wie jenes von Frankfurt, betont Friedrich in einem Interview mit der Bild-Zeitung. Markige Sprüche, die ansonsten nur von amerikanischen Cowboys wie Bush oder Reagan bekannt sind, sorgen damit für einen neuen Wind in der deutschen Innenpolitik. Und dies ausgerechnet in einer Thematik, die in den letzten Jahren mit Samthandschuhen angegriffen wurde. Nicht wirklich die Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit meint die SPD und ruft zum Boykott der Islamkonferenz auf. Aber auch in den Medien erhält der Politiker hierfür eine schallende Ohrfeige: Er unterstütze das Klischee, dass hinter jedem Einwohner mit türkischem oder arabischem Migranten-Hintergrund ein potentieller Attentäter und Kämpfer des Dschihad stecke. Das ist Zündstoff genug für die moslemischen Verbände. Haben sehr viele dem Minister seinen nicht wirklich geglückten Einstand als Anfängerfehler verziehen, so dürfte nun das Maß überschritten sein. Zentimeter um Zentimeter hatte man sich in den letzten Jahren in der Integrationsfrage angenähert - zwei Sätze haben ausgereicht, um wieder bei Null beginnen zu können! Experten und Kritiker fragen sich nun gleichermassen, woran diese Haltung Friedrichs liegen könne. Ist es eine Vorgabe von oben? Schliesslich hat die Kanzerlin selbst ja die Integrationsbemühungen als gescheitert bezeichnet! Oder möchte sich der neue Innenminister als Hardliner profilieren? Letzteres denkt sich zumindest die Integrationsbeauftragte der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Aydan Özoguz. Zumindest bis ein anderer Konferenz-Leiter bestimmt wurde, sollte ihrer Meinung nach über eine Teilnahme an der Islamkonferenz genauestens nachgedacht werden. Neun von fünfzehn muslimischen Konferenzteilnehmer haben deshalb eine Erklärung unterzeichnet. Hierin heisst es, dass die Sätze Friedrichs den Muslimen Deutschlands vermitteln, dass sie "ebenso wenig ein Teil Deutschlands wie ihre Religion" sind. Diese Stellungnahme stammt übrigens aus keinem der Verbände sondern aus dem Bereich "Muslimische Einzelpersonen". Hier heisst es, dass es darum gehe, die Gegenwart zu sehen und dabei anzuerkennen, dass der Islam mit vier Millionen Gläubigen die zweitgrösste Religionsgemeinschaft in Deutschland darstellt. Dem Bereich der muslimischen Einzelpersonen kommt offenbar immer grössere Bedeutung zu, da den Verbänden immer wieder auch intern vorgeworfen wird, dass sie sich - wenn überhaupt - bei gewissen Fragestellungen zu wenig bewegen. Daneben müsse man sich selbst darüber klar werden, als welcher Islam in Deutschland aufgetreten werden soll: Als orthodox-rückwärts-gewandter oder als aufgeklärte Religionsgemeinschaft (die CDU-Stadtverordnete Ezhar Cezairli aus Frankfurt gegenüber der FAZ). Dies unterstützt auch die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor. Sie betont in einem Gastkommentar für die Frankfurter Rundschau, dass die muslimischen Vertreter der Deutschen Islam-Konferenz (DIK) zumeist dem konservativen Islamverständnis zuzuordnen wären, das eine liberale Position ausschliesse. Damit aber gebe es kein repräsentatives Bild. Den Boykott-Aufruf Özoguzs sieht die CSU als Revolte. So spricht CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt von einem "schamlosen Aufwiegeln der Muslime gegen die Bundesregierung"! Auch die Grünen sind nicht von dieser Idee begeistert. Grünen-Chef Cem Özdemir sieht hierin einen falschen Weg. Es werde ein glaubwürdiger Neustart benötigt. Im Jahre 2006 hatte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Islam-Konferenz gegründet. Neben einer jährlichen Plenarsitzung gibt es immer wieder Treffen der Arbeitsgruppen. Bereits im vergangenen Jahr gab es unter Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) einen Rückschlag. De Maiziére hatte angedroht, den Islamrat aus der Konferenz auszuschliessen, da der Verfassungsschutz gegen Mitglieder der mit dem Rat kooperierenden Organisation Milli Görüs ermittelte. Auch der Zentralrat der Muslime zog seine Tagungsteilnehmer zurück. Neben den Verbandsvertretern und den "muslimischen Einzelpersonen" gehören der Islamkonferenz auch Vertreter der Kommunen, der Länder und der Bundesregierung an. Einen sehr interessanten Denkansatz warf der frühere Bundesbankvorstand und SPD-Politiker Thilo Sarrazin in die laufende Diskussion. Er sprach sich in einer Talksendung des TV-Senders SAT1 für finanzielle Sanktionen bei Integrationsunwilligen aus. "Wenn Menschen bildungsfern sind... dann müssen sie ganz eindeutige Regeln haben. Und wenn sie wissen, es gibt vom Staat weniger Geld, wenn sie nicht dafür sorgen, dass sich ihre Kinder vernünftig bilden, dann wird das funktionieren!" Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 12 KW 14 | 06.04.2011 |
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